Der Weg vom ersten zum zweiten Symposium
Die Ökologisch Demokratische Partei Deutschlands (ÖDP) hat im Januar 2020 ihr erstes Symposium zur Wachstumskritik veranstaltet. Dazu hat sie namhafte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Expertinnen und Experten eingeladen hat, ihr Wissen und ihre Erfahrungen zu verschiedenen Themenbereichen zusammenzutragen und zu diskutieren.
Hintergrund dieser Veranstaltung war natürlich unsere Programmatik als ökologische Partei und hierbei besonders die Wahrnehmung der unabwendbar auf uns zurollenden Klimakrise sowie einer lokal wie global rapide schwindenden Artenvielfalt. Für Letztere hatten wir in Bayern bereits mit dem bisher erfolgreichsten Volksbegehren zur Erhaltung der Artenvielfalt „Rettet die Bienen!“ ein deutliches politisches Signal gesetzt.
Bereits seit ihrer Gründung 1982 liegt für die ÖDP die Ursache, sowohl für den Klimawandel als auch für den Rückgang der Artenvielfalt, in der Plünderung des Planeten (vgl. das Buch des ÖDP-Gründers Herbert Gruhl: „Ein Planet wird geplündert“). Solange wir mit immer noch steigender Tendenz – und das gilt vor allem für die sogenannten westlichen Industriestaaten – einen jährlichen Anteil von drei Planeten verbrauchen und dabei massiv fossile Brennstoffe durch den Schornstein jagen, werden wir diese Entwicklung buchstäblich weiter befeuern.
Die Folgerung daraus ist ebenso zwingend: Wenn wir diese bedrohliche Entwicklung stoppen – ja umkehren – wollen, müssen wir so schnell wie möglich dieses Wachstum stoppen. Wir dürfen zukünftig nicht mehr verbrauchen, als das, was der eine Planet, den wir auch tatsächlich haben, uns auf lange Sicht gibt!
Das klingt sehr nach Verzicht und das wiederum fordert unsere Gegner heraus: Ihr Vorwurf: „Ihr seid eine Verzichtspartei!“ Und: „Ihr wollt immer alles verbieten! Ihr kritisiert immer, was schlecht ist und was wir nicht mehr tun sollen, aber einen Plan für das, was wir tun sollen, habt ihr nicht!“ Genau deshalb haben wir uns aufgemacht, nicht nur Forderungen auf Verzicht und Verbote aufzustellen, sondern ein neues Gesamtprogramm aufzulegen. Also genau einen solchen Plan zu entwickeln, der uns in die Zukunft weist und uns sagt, wie man das positiv gestalten kann.
Das Problem: Forderungen danach, auch ganz konkrete Forderungen, gibt es genug! Maßnahmen, auch ganz konkrete Maßnahmen, gibt es genug! Ebenso: Zielformulierungen, wie diese Welt dann aussehen müsste – haben wir genug! Was uns fehlt, ist ein gangbarer Weg, der uns vom jetzigen Zustand unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu dem notwendig gewünschten Zustand führt und dabei möglichst alle mitnimmt. Dazu brauchen wir eine Gesamtsicht, die möglichst viele Aspekte in die Betrachtung mit einbezieht und realistische Schritte aufzeigt. Das sind dann natürlich wieder ganz konkrete Maßnahmen, die wir gemeinsam, d.h. möglichst als weltweite Gesamtgesellschaft, angehen können. Und es müssen Schritte sein, die uns rechtzeitig, also vor einem möglichen vorhergesagten Crash dorthin bringen, wo wir diesen Planeten mit all seiner Schönheit und Vielfalt und mit uns, der Menschheit darinnen, bewahren können für eine enkeltaugliche Zukunft.
Genau auf diesen Weg haben wir beschritten, als wir unser 1. Coburger Symposium zur Wachstumskritik durchgeführt haben. Tatsächlich konnten wir etliche wichtige Aspekte zu den unterschiedlichen Themen zusammentragen und zur Sprache bringen.
Unsere Referentinnen und Referenten:
- Prof. Dr. Mathias Binswanger, Wirtschaftswissenschaftler, Schweiz
- Prof. Dr. Irmi Seidl, Wirtschaftswissenschaftlerin, Deutschland/Schweiz
- Prof. Dr. Christian Kreiß, Volkswirtschaftsexperte, Deutschland
- Oliver Richters, Wirtschaftswissenschaftler, Deutschland
- Jörg Sommer, Autor, Vorsitzender der Deutsche Umweltstiftung, Deutschland
- Isabella Hirsch, Landwirtin, Stellv. Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) LV Bayern, Deutschland
- Prof. Dr. Martin Quaas, Wirtschaftswissenschaftler, Deutschland
Unsere Workshopthemen:
- Finanz- und Geldwirtschaft ohne Wachstum – Günther Grzega
- Warum wir so viel arbeiten müssen – Prof. Dr. Christian Kreiß
- Landwirtschaft unter Rücksichtnahme auf Mensch und Natur – Dietrich Pax
- Die Rolle der Arbeit in der Postwachstumsgesellschaft – Jörg Sommer/Prof. Dr. Irmi Seidl
- Die Resonanzstrategie. Wie wir uns vom Wachstumszwang befreien können – Dr. Fritz Reheis
- Energiewende – Hans-Josef Fell/Jürgen Osterlänger
- Marktwirtschaft zwischen Utopie und Realität – Oliver Richters
- Betriebswirtschaftliche Aspekte wachstumslosen Wirtschaftens – Prof. Dr. Herbert Einsiedler
Erst die anschließende gründliche Auswertung hat die Vielfalt, gleichzeitig die Tiefe, aber vor allem die Zusammenhänge der verschiedenen Teilbereiche des Symposiums an den Tag gebracht. Dabei sind zwei Dinge deutlich geworden:
- Erstens die Notwendigkeit, alles zu einem Gesamtkonzept zusammenzufügen, um die Zusammenhänge herauszuarbeiten, die Einzelthemen in den Gesamtkontext zu stellen.
- Zweitens die Notwendigkeit, damit in die Öffentlichkeit zu gehen, und zwar sowohl in die wissenschaftliche, als auch in eine möglichst breite allgemeine Öffentlichkeit, um die Erkenntnisse bekannt zu machen, vor allem aber auch, um einzuladen, mit zu diskutieren, weitere Aspekte einzubringen, mit uns gemeinsam daran weiter zu arbeiten und schließlich so viel Öffentlichkeit herzustellen, dass aus der Utopie eines neuen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems die Umsetzung in die Wirklichkeit erfolgt.
Damit war aber auch klar, dass das Ergebnis einen größeren Umfang haben musste, als auf zwei, drei Seiten zusammengefasst:
Einerseits sind die Probleme, die mit der derzeitigen neoliberalen Wirtschaftsideologie vom Wachstumszwang verursacht wurden und werden – die Plünderung des Planeten auf Kosten der Zukunft unserer Kinder und Enkel, die schnell schwindende Artenvielfalt, aber vor allem eine globale Klimakrise gigantischen Ausmaßes – zu gravierend; andererseits ist die Entwicklung eines neuen enkeltauglichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems als Lösung dieser Probleme zu wichtig, als dass wir sie in einem kleinen Zirkel von Eingeweihten, Experten oder auch nur in den Grenzen einer programmatischen Parteiarbeit belassen könnten. Die Botschaft muss hinaus in die Welt, damit möglichst viele sich informieren können, mit diskutieren und an der Lösung mitarbeiten können.
Zwei Wege sind von daher folgerichtig: Wir müssen wieder ein Symposium veranstalten und wir müssen die Ergebnisse als Buch veröffentlichen.
Damit sind wir bisher offensichtlich die einzige Partei, die eine Gesamtsicht eingefordert und auch mit unserer Veranstaltung erstellt hat: Wachstumskritik als Folgerung aus der Gesamtproblematik des geradezu wahnwitzigen Ressourcenverbrauchs, der durch fossilen Energieverbrauch zur Klimakrise geführt hat und die Artenvielfalt rasant schwinden lässt. Und wir bleiben nicht einfach beim Aufzeigen des Problems, sondern wir arbeiten an der Entwicklung einer Gesamtlösung in möglichst allen Facetten des Lebens auf der Erde – einer Lösung, die möglichst alle mitnimmt und nicht gleich an anderen Stellen wieder neue Probleme schafft. Das Ergebnis, der Entwurf für ein neues enkeltaugliches Wirtschafts- und Gesellschaftssystem werden wir in Kürze als Buch herausgeben.
Das neue 2. Coburger Symposium zur Wachstumskritik, zu dem wir für 2021 einladen, nimmt nun folgerichtig Teile ins Visier, die sich als besonders diskussionswürdig ergeben haben – bei denen wir auch noch vertieft an einer Lösung arbeiten müssen und die v.a. für eine praktische Umsetzung von entscheidender Bedeutung sein werden: Finanzwirtschaft und Kapitalmarkt sowie Arbeit und Soziales. Auf den ersten Blick Gegensätze, sie gehören aber für die Umgestaltung unserer Gesellschaft untrennbar zusammen im Sinne der Mittelherkunft und der Mittelverwendung. So wollen wir sie auch auf dem Symposium ausgestalten:
Keine Feindbilder, sondern zwei Seiten der Medaille, denn wir werden sämtliche Kräfte dieser Gesellschaft brauchen, um diese gewaltige Umbaumaßnahme gemeinsam zu bewältigen:
- Finanzwirtschaft
Die Grundfrage: Wie muss die Finanzwirtschaft – Geld- und Kapitalmarkt – gestaltet werden, damit sie die Energie- und Klimawende und die ökologischen und sozialen Aufgaben mitfinanziert, ohne das Wachstum weiter anzuheizen?
Zwei Eckpunkte:
A. Finanzwirtschaft muss stark genug sein, um den schnellen Umbau zur Energiewende und zu einem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem für Arten- und Klimaschutz -mitzufinanzieren.
B. Finanzwirtschaft muss sich darauf beschränken, dass sie die Realwirtschaft finanziert und dabei vermeidet, den Wachstumsimpulsen und der Profitgier Vorschub zu leisten.
– Zu A: Für eine zügige Energiewende und das dazugehörige Klimaschutzprogramm müssen schnellstens die notwendigen Kapitalressourcen bereitgestellt werden. Im gleichen Maße müssen entsprechende soziale Maßnahmen – allgemeine Daseinsvorsorge und Maßnahmen zur Beseitigung von Armut oder drohender Armut – über Steuern und Abgaben daraus finanziert werden.
– Zu B.: Finanzwirtschaft muss so reglementiert werden, dass sie sich wieder auf die ursprüngliche Absicht der Börse, nämlich Kapitalbeschaffung für die Realwirtschaft beschränkt. Hierzu müssen insbesondere der Primat und die Kontrolle des Staates über das Geldmengen- bzw. Vermögenswachstum gewährleistet werden. - Soziales
Den Ausgangspunkt für unsere Recherche bildet der folgende Grundsatz: „Bei unserem neuen Konzept wollen und müssen wir alle mitnehmen, keiner darf zurückbleiben!“ Ein zweiter Grundsatz muss lauten: „Wir dürfen die soziale Frage nicht auf Kosten der Ökologie lösen, sondern müssen die Probleme der Ökologie gemeinsam mit denen der sozialen Frage lösen!“ Die Grenze allen Handelns wird durch folgenden Satz definiert: „Wir haben nur einen Planeten – und nicht drei. Mehr als den einen dürfen wir und unsere Kinder und Enkelkinder nicht brauchen!“
Die unweigerliche Folge: Wir alle dürfen in Zukunft genau so viel weniger an Ressourcen verbrauchen, bis es für alle in gleichem Maße ausreicht! Dieser Satz gilt insbesondere auch als Lösungsansatz für die soziale Frage! Und diese Zukunft beginnt genau: Jetzt!
Das ist der Rahmen, in dem wir uns bewegen dürfen, ja müssen! Eine Ausnahme darf lediglich die Energiewende darstellen, weil wir hier sehr schnell und entschieden handeln müssen, sonst wird uns das Heft des Handelns durch die Klimakatastrophe aus der Hand gerissen. Auch hier gilt der Satz – und diesmal global: „Wir wollen und müssen alle mitnehmen!“ Von dieser Energiewende müssen alle rund um den Globus profitieren!
Das kann nur gelingen, wenn in Zukunft Anlagen für Energie aus erneuerbaren Quellen dann auch woanders stehen, als nur bei uns und andere Völker davon profitieren!