Prof. Dr. Herbert Einsiedler: Betriebswirtschaftliche Aspekte wachstumslosen Wirtschaftens

Samstag 25.1.2020 – Exzerpt zum Workshop

Was ist BWL: Führen, steuern, Organisation!

Die Grundannahme der BWL: Alle Güter sind knapp. BWL verwaltet Knappheit! Man muss auf den Engpass schauen: Wie gehe ich damit um? Sauberes Klima ist knapp – saubere Luft ist knapp! Damit muss ich umgehen. Geld ist nicht überall knapp – in der VWL nicht, in der BWL schon!

BWL managt Knappheit – das ist vergleichbar mit der Ökologie!

BWL ist die Beschäftigung mit einzelwirtschaftlichen Unternehmen. Der Ist-Zustand, der Zielzustand sind einfach zu beschreiben. Das Problem: Wie komme ich zum Ziel?

Grundfrage dabei immer: Welche Art von Menschen habe ich? Mit denen muss ich umgehen und denen muss ich das verkaufen.

Zu den Wachstumsraten: In den letzten 2000 Jahren: Bis 1750 gab es praktisch kaum Wachstum: Pro Kopf 0,006%; ab 1750: Mehr Menschen und das Wachstum pro Kopf ist gewachsen; ab 1820 dann plötzlich ein überproportionales Wachstum!
„Solange der Wachstumsfaktor unter 1,0 liegt, ist das Wachstum vernachlässigbar. Über 1,0 steigt die Kurve plötzlich steil an, d.h. damit werden unsere Ressourcen überproportional verbraucht, ab 2,5% Wachstum geht die Post ab: Pro Generation packe ich 110% drauf; 2,1-faches Wirtschaftswachstum bedeutet auch 2,1-facher Ressourcenverbrauch! Das kann nicht lange durchgehalten werden, weil der explodiert!“
Um 1750 wurde das Papiergeld „erfunden“; mit dem früheren Geldsystem, das an Gold- und Silbermünzen gebunden war, war Wachstum nicht möglich.

Technischer Fortschritt: So richtig erst möglich wegen der Verheizung von Kohle, Öl – später dann Atomkraft.

Buchhinweis: Thomas Piketty: Jenseits von Kapitalismus und Kommunismus – historische Daten zusammengetragen und aufgeschrieben .

Es ist ein Unterschied: „Wachstumsursache und Wachstumswirkung: Wir haben ein System, das zwangsweise wächst; das bricht sich seinen Weg wie eine Flut: Wenn da eine Mauer im Weg ist, dann ist die Mauer weg, aber die Flut schießt weiter. Der Wachstumszwang haut Teile vom System weg – zwangsläufig – sonst müsste man den Wachstumszwang wegnehmen können.“

Bis Mitte der 70er Jahre herrschte bei uns der Ordoliberalismus vor, der hat aber das Wirtschaftswachstum limitiert. Die Folge war, dass die Vertreter des Neoliberalismus dafür gesorgt haben, dass die Grenzen aufgehoben wurden.

Kritische Anfrage Herbert Einsiedlers: Ob wir überhaupt einen Neoliberalismus haben. Für ihn ist das eher eine Wirtschafts-Oligarchie, „die alles beherrscht, und die schert sich, wenn‘s um die Dritte Welt geht oder die kleinen Unternehmen, einen Dreck um Neoliberalismus, sondern dann zählt nur die Macht! … Wenn wir ja nur Neoliberalismus hätten, dann hätten wir ja einen freien Markt. Aber den haben wir ja nicht!“ Mit dem alten Banksystem und den Handelsgrenzen wäre ein solches Wachstum gar nicht möglich gewesen.

Unsere Situation: „Wir haben jetzt kein Wahlrecht mehr. Es geht nicht mehr darum: Wollen wir eine wachstumsfreie Ökonomie oder nicht, sondern wir haben das Wahlrecht: Knallen wir gegen die Wand oder bremsen wir?“

„Wenn wir eine Postwachstumsökonomie wollen, dann schauen wir uns doch erst mal die Pre-Wachstumsökonomie an, ob wir vielleicht davon etwas lernen können!“

„Warum wachsen Unternehmen? Volkswirte sagen: Wegen der Share Holder. Betriebswirte sagen: Wegen der Economy of scales: Wenn ich groß bin, kann ich billiger einkaufen, wenn ich meine Kosten nicht mehr kriege, bin ich aus dem Markt! – ‚Kostenvorteile kommen über den Einkauf!‘“

Betriebsgröße ist ein entscheidendes Kriterium:

Die Politik tut so, als könnte man ein 10-Mann-Unternehmen führen wie ein 1000-Mann-Unternehmen – ein kleines Unternehmen hat im Verhältnis wesentlich mehr Kosten, weil sie die selben Rahmenbedingungen erfüllen müssen wie die Großen; Beispiel aus der jüngsten Geschichte der ÖDP: Datenschutzbeauftragter.

Die Politik ist hier gefragt durch Lenkungsinstrumente: Sie muss die Wettbewerbsvorteile – geringere Gestehungskosten beim Einkauf etc. – der Großen gegenüber den Kleinen ausgleichen; zumindest in dem Maße, dass kleine Unternehmen damit nicht in die Enge getrieben werden und in Existenznot geraten!

Und das sind keine Peanuts! Das ist empirisch gemessen: Immer zwischen 20 und 30%: Wenn ich die Menge meiner Produktion verdoppele, kommen Kosteneinsparungen in etwa dieser Höhe raus.

Wenn der andere (Konkurrent) nicht mitwächst, ist er bald raus, weil er auf Dauer nicht mithalten kann bei diesem Kosten-Unterschied!
Im Endeffekt: Wenn der Kleine klug ist, verkauft er sein Geschäft, solange es noch läuft, damit er nicht sich selbst ruiniert. Es ist klar, was folgt: Marktkonzentration und daraus Oligopol-Bildung!

Doch, es gibt Möglichkeiten, diese Entwicklung zu verhindern: Der Kleine findet eine Nische. Ansonsten geht nur: Verhindern, dass Kostenvorteile aus der größeren Menge erwachsen.

Beispiel aus dem Publikum: Genossenschaftskelterei und Fruchtsaftindustrie: Wir haben eine kritische Betriebsgröße – mehr als 10 Mitarbeiter – wir haben aber die Menge nicht und können nicht günstiger produzieren. Einziger Ausweg ist, dass einige von uns ehrenamtlich mitarbeiten.
Einsiedler: Sein Rat als Praktiker: Die Regelungen greifen auf Betriebsebene – aber nicht auf Unternehmensebene! Die Lösung: Aus einem Unternehmen mehrere Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern machen, dann ist man da raus!

Wenn das Recht so ungerecht ist, muss man Wege finden, es zu umgehen! Die Regeln sind blöd! Ziel wäre, die Gesetze zu ändern und an der Praxis zu orientieren!

Bessere Möglichkeiten gibt es über Genossenschaftsgründungen!

Der Vorschlag, sich mit anderen etwa gleich großen Unternehmen zu verbünden, hat ein Problem: Das Kartellrecht! Dann machen wir halt eine Einkaufsgenossenschaft! Das zählt zum Genossenschaftswesen!

Für das neue System: Der volkswirtschaftliche Rahmen muss sein: Ordoliberalismus, damit kann ich das Wachstum begrenzen, d.h. wieder Ordnung in das System bringen!

Die Frage nach der Inflation: Der Unterschied zwischen Real- und Nominalrechnungen: Realrechnungen haben die Inflation bereits eingepreist; damit gibt es keine Realveränderung – kein Wachstum aus Inflation!

Zur Frage nach Rahmenbedingungen im Unternehmen, die ohne ständiges Wachstum auskommen: Antwort: So lange die Rahmenbedingungen so sind, muss ich damit umgehen. Die Regeln müssen geändert werden!

Einwurf: Zu Wettbewerbsverzerrungen: Großbetriebe zahlen viel weniger für Strom und auch für Wasser.

Anfrage: Bisher haben wir im Endeffekt immer über das Geld geredet. Wie kann man Gemeinwohlkriterien in die betriebswirtschaftliche Rechnung einführen? Das ist eine Aufgabe für ein neues System!

Ergebnisse des Workshops

Was war uns im Workshop wichtig:

  • Geschichtliche Entwicklung: Was war ursächlich für den Wachstumszwang?
  • Strukturen
  • Darstellen der äußeren Zwänge
  • VWL könnte viel machen mit einer ordentlichen BWL-Analyse
  • Sichtweise des – mittelständischen – Arbeitgebers sehen und daraus urteilen

Fragen:

  • Gesellschaftliches Geld für ökologische und soziale Leistungen auch für klein- und mittelständische Betriebe?
  • Wie ist der gesellschaftliche Weg zu einer ordoliberalen Wirtschaft?
  • Es braucht klare Vorgaben und die Kontrolle der Umsetzung

Impulse und Forderungen:

  • Wir brauchen einen Ordnungsrahmen:
    Gemeinwohlberücksichtigung Gemeinwohlgedanken müssen in diese Bedingungen einfließen. Dazu spielt die Betriebsgröße eine entscheidende Rolle: Momentan wird ein 5 – 10-Mann-Betrieb genauso behandelt wie ein 10.000-Mann-Betrieb, das hält der Kleine nicht durch, weil er alle Funktionen eines Großbetriebs aufrechterhalten muss, was nicht geht.
  • Gesetze, Steuern, weitere Aspekte
  • Betriebsgröße
  • Zusammenschluss mittelständischer Unternehmen (z.B. Einkaufsgenossenschaften): Wie kann ich so und so viele Kleinunternehmen zusammenschließen, damit sie annähernd gleiche Bedingungen haben wie Großunternehmen (Einkaufsgenossenschaften etc.)? Problematisch könnten kartellrechtliche Bedenken dagegen sein.

Derzeit habe ich zwei Möglichkeiten als kleines Unternehmen: Entweder ich wachse oder ich schrumpfe, d.h. bin ganz klein und kann diesen Status halten; der Weg dazwischen funktioniert nicht.

Was heißt das für die einzelne organisatorische Einheit?

Wie muss man die Rahmenbedingungen gestalten, damit das Unternehmen wenig bis gar nicht mehr wachsen muss.
Derzeitiger Handlungsspielraum ist diesbezüglich nicht besonders groß: Wachsen oder weichen

Gesellschaftliches Geld für ökologische Leistungen müsste es nicht nur für landwirtschaftliche Betriebe geben, sondern auch für Wirtschaftsbetriebe – z.B. kleine Genossenschaften, die in der Fläche agieren und behandelt werden wie Großunternehmen und kaum Überlebenschancen haben, wenn sie nicht wachsen.

Wenn wir eine Kreislaufwirtschaft durchsetzen wollen, müssen wir die Ungleichheiten kompensieren, sonst geht‘s nicht!
Handwerksbetriebe werden momentan nicht gefördert.

 

Was nehme ich persönlich aus diesem Kongress mit:
Resümee von Workshop-Leiter Herbert Einsiedler

„Wirtschaften ohne Wachstumszwang ist keine Freiwilligkeit, sondern: Entweder wir schaffen es, kontrolliert zu wirtschaften oder wir fahren gegen die Wand.“