Dietrich Pax: Landwirtschaft unter Rücksichtnahme auf Mensch und Natur

Samstag 25.1.2020 – Exzerpt zum Workshop

Zeichnet eine Grafik: Flächen mit Schnittmengen: Wirtschaft – Natur – Mensch. Die Grundlage unseres Erlebens ist die Getrenntheit der Bereiche mit kleinen Überschneidungen. Dort muss ich Rücksicht auf den jeweils anderen Sektor nehmen. Im jeweiligen Sektor selber kann ich tun und lassen, was ich will. Dieses Bild ist falsch!

Die Wahrheit: Die Natur umfasst alles, darin sind wir Menschen, darin ist die Wirtschaft eingebettet. Weil alles vor dem Hintergrund der Natur stattfindet, ist alles, was wir tun, in Beziehung zur Natur, sind wir selbst Teil dieser Natur.

Frage: Wer ist hier Dienstleister? Die Wirtschaft ist für die Menschen und letztlich auch für die Natur da! Deswegen müssen wir diese Rücksichtnahme auf Mensch und Natur haben, sonst funktioniert‘s nicht: Als Menschen haben wir Verantwortung für die Gestaltung in beide Richtungen: Natur und Wirtschaft. Diese Verantwortung haben wir nicht übernommen: Derzeit dominiert unsere Wirtschaft den Menschen und die Natur. Das wollen wir ändern.

Wir kümmern uns nun aber besonders um die Landwirtschaft:

Wenn ich eine Wiese mähe, wird der Storch die Frösche besser finden, als mit hohem Gras. Damit habe ich die Natur verändert – das ist noch nicht per se schlecht, aber anders.

Beeinflusste Natur ist keine Natur mehr, sondern Kultur!

Wir können unendlich in die Natur eingreifen, aber wir tragen Verantwortung für alles, was wir tun. Moderne Landwirtschaft greift sehr tief ein, das führt zu gravierenden Veränderungen. Um 1900 wurde erheblich weniger Natur verändert. Als dann der Messerbalken erfunden wurde, mussten die Bauern alle 20 Meter anhalten und die aufgespießten Frösche entfernen. Heutzutage fangen Störche keine Frösche mehr, sondern Mäuse! Die mussten ihre Futtergewohnheiten ändern.

Diesen Prozess haben wir über viele Jahre begleitet: Mit Geld! Den Landwirten klar gemacht: Sie müssen mehr produzieren! Wir produzieren immer mehr und exportieren und machen im Ausland Märkte und Landwirtschaft kaputt.

Dafür importieren wir dann unendlich Futtermittel, um unsere Fleischproduktion anzukurbeln: Das Schweinefleisch verkaufen wir dann an China – ein Irrsinn!

Frage: Was macht in welcher Region Sinn und wie erreichen wir regionale Ernährungssouveränität?
In anderen Sprachen heißt das agriculture, also „Kultur“; hier heißt es Landwirtschaft, also „Wirtschaft“ – das Wording macht etwas mit uns.

Einwurf: „Die Bauern haben sich früher geplagt“ – stimmt so nicht: Vieles war Weidewirtschaft seit der letzten Eiszeit. Die Wiese war ein Kunstprodukt, noch nicht einmal 200 Jahre alt.

Wir Bauern sind der Durchlauferhitzer; Wir sollen nur so viel bekommen, dass es gerade so funktioniert, Wichtig ist, dass die Wirtschaft brummt, dass die Treckerfirmen, Agrochemie etc. gut verdienen.

Heute sind wir wesentlich mehr Menschen auf der gleichen Fläche, d.h. mit Weidewirtschaft können wir nie so viele Menschen ernähren! Dagegen mit Gemüseanbau kann auf der gleichen Fläche ein Vielfaches an Nahrungsmitteln erzeugt werden.

Einspruch: Wir brauchen auch die Tiere, um den Dünger zu erzeugen! Einspruch dagegen: Man kann auch mit Gründüngung viel tun!
Die Frage nach der Qualität der Produkte wird kaum bemerkt. Wir merken gerade, wenn wir uns mal nicht wohlfühlen, aber wenn wir uns nach einem Essen wohlfühlen, bemerken wir nicht: „Masse statt Klasse“, um möglichst viel zu produzieren:

Die Folge: Durch die Intensivierung haben wir die Landschaft in enormem Maße verändert, Landschaften geschaffen, was für ganz viele Organismen – auch uns Menschen – sehr abträglich ist: Artenvielfalt nachhaltig geschädigt, Kulturlandschaften zerstört.

Pax: Mit seinen Tieren bindet Pax Borreliose dadurch, dass sich die Zecken an den Schafen gut tun und die Zecken dann satt sind – es existieren dazu Studien – und die Menschen nicht anfallen. Eigentlich müssten wir dafür Geld bekommen, kriegen wir aber nicht!

Einspruch: Das ist eine gefährliche Denkweise, weil jeder dann, bloß, weil er durch seine zufällige Anwesenheit etwas Gutes tut, ohne aktiv daran etwas zu arbeiten, die Hand aufhält. Das wäre für unsere Demokratie und ehrenamtliches/soziales Engagement sehr abträglich.
Einspruch dagegen: Da der ursprüngliche Zweck – Schafhaltung für Wolle und Milch und Fleisch – nicht mehr wirklich bezahlt wird, ist es wohl angemessen, eine andere Leistung, die auch erbracht wird, zu entlohnen. Die Frage lautet: Welche Gesamtleistung erbringen sie?
Wir glauben, wir würden über den Preis eines Produktes die volle Wahrheit bezahlen. Stimmt aber nicht, sonst müssten bestimmte Produkte erheblich teurer sein: Wir wollen für ein bestimmtes Produkt einen bestimmten Preis bezahlen. Die Kosten dafür wollen wir uns aber nicht anschauen! Die Folge: Wir können mit den derzeitigen Preisen nur einen ganz geringen Anteil der gesamten Leistung vergüten. Die Frage: Was haben wir für einen Nutzen? Die wird nicht gestellt. – Wir sind nicht bereit, das über den Preis zu bezahlen. Z.B. hat die Landwirtschaft im Dürrejahr ganz erheblich mehr geleistet, aber nur einen Minderertrag bekommen: Die Mehrarbeit wurde nicht bezahlt. Produktwahrheit stimmt also nicht! Wir müssen hier Landwirtschaft neu denken: Was produziert Landwirtschaft? Landwirtschaft produziert Landschaft und Essen. Landwirtschaft kann verhindern, dass Wasser weiter verschmutzt wird, qualitativ besseres Essen produzieren, Artenvielfalt unterstützen. Wenn wir das bepreisen, kommt sofort die Diskussion: Wer kann sich das dann noch leisten? Das aber müssen wir gesellschaftlich angehen. Was verursachen wir hier, wenn wir Landwirtschaft betreiben? – Sowohl positiv wie negativ: Eine Marktwirtschaft bedarf eines gerechten Preises, d.h. man muss, damit es gerecht zugeht, alle Kosten mit hinein rechnen. Davon sind wir unglaublich weit entfernt: Das werden wir im Augenblick nicht schaffen, es in der Landwirtschaft durchzusetzen, dass wir alle Kosten da hinein rechnen und diesen Preis dann auch bekommen. Es erscheint auch nicht sinnvoll, weil die Möglichkeit, das durchzusetzen nicht gegeben ist. Außerdem kann ich nicht garantieren, dass ich bei vollem Einsatz auch den vollen Erfolg habe (Dürre, Überschwemmungen, Wetter etc.).

Einwurf: Deswegen setzt der konventionelle Landwirt auch entsprechende Mittel ein, um den Erfolg besser zu garantieren. Da sollte man darüber nachdenken, ob man den Landwirt nicht auch als Dienstleister sieht und diese Leistung entlohnt: Dafür soll vom Staat auch Geld bereitgestellt werden. Solidarische Landwirtschaft wäre ebenfalls eine Lösung: Alle tragen dann auch das Risiko mit.

Pax: In Unterfranken haben einige Landwirte auf Bio umgestellt, nicht deswegen, weil sie Bio besser finden, sondern weil sie mittlerweile die Kosten für den Einsatz von Dünge- und Spritzmittel nicht mehr sicher hereinbekommen. Das Argument: Wir müssen die Welt ernähren, zieht nicht mehr! Das Problem in der Landwirtschaft: Die Leistung der Landwirte wird nicht im Preis abgebildet. Die Gemeinschaft könnte diese Leistung richtig abbilden und dementsprechend entlohnen, aber die Landwirtschaft ist völlig anders aufgestellt.

Einwurf: Auch die Biolandwirtschaft kann nicht alles an Artenvielfalt leisten; auch der Biobauer muss die Kosten rechnen. Da ist auch noch Luft nach oben.

Ein weiteres Problem: Die Art der Herstellung der Produkte stößt Verbrauchern sauer auf: Gülle stinkt, Pestizide verpesten die Luft und das Wasser etc. Der Bauernverband hat es versäumt, hier rechtzeitig vorzubauen. Wenn die so produzieren, brauchen sie nicht zu glauben, dass sie dafür einen guten Preis bekommen – das wird nicht wertgeschätzt. Das Gejammer des einzelnen ist verständlich, aber dass der Verband das nicht geschafft hat, die letzten 40 – 50 Jahre sinnvoll umzusteuern, das ist die eigentliche Katastrophe. Dazu gehört auch die Frage des Kontakts mit der Umgebung: Information!

Neu aufgelegt wurde dazu – zur Information – das Bundesprogramm ökologischer Landbau – BöL – neuerdings: BönL – Bundesprogramm ökologischer und nachhaltiger Landbau: Wieder eine Lobbyleistung des Bauernverbands, damit die ökologischen Höfe das Programm nicht alleine abgreifen können! Leider haben sie vergessen zu definieren, was nachhaltig ist. Im Nachgang wurden ganze zwei als „nachhaltig“ zertifizierte Höfe in ganz Deutschland daran beteiligt. So funktioniert‘s nicht.

Vorschlag von Pax: Die Entwicklung der Landwirtschaft als gesellschaftlicher Prozess: Zuerst kommt die Frage: Was hätten wir gerne? Und dann sollte man darüber nachdenken, wie die Gelder dafür verteilt werden sollen – derzeit ca. 60 Mrd. €, die verteilt werden.
Pax bekommt bei seinem Gartenbaubetrieb für die Grundfläche 200.– €/ha und noch eine Bioprämie dazu; bei seinem Umsatz in der Gemüseproduktion ein zu vernachlässigender Betrag. Bei Ackerbau und Viehhaltung ist das eine ganz andere Nummer. Andererseits ist Pax aber davon überzeugt, dass die Betriebe, die an solchen Programmen teilnehmen, auch die Leistung dafür erbringen, die die Gesellschaft von ihnen will. Es gäbe also die Möglichkeit, diese Betriebe dauerhaft mit diesem Geld zu versehen, weil es bei der Situation auf dem Weltmarkt derzeit unglaublich schwierig ist, einen Preis durchzusetzen, der das abdeckt, was ein Landwirt tatsächlich dafür braucht, um sinnvoll produzieren zu können. Als Pax begonnen hatte, hat er pro Kilo Lammfleisch um die 5.– DM bekommen, jetzt bekommt er um die 1,80 €. Das ist ein „Negativpolitischer Preis“, der nur deswegen notwendig ist, damit wir auf dem Markt recht gut verkaufen können – das ist der einzige Grund! Seine Schafwirtschaft ist heute nur noch zur Landschaftspflege und zur Produktion des Düngers für den eigenen Gemüseanbau da; Wolle lässt sich noch im Hofladen vermarkten. „Wir verkaufen keine Schafe mehr; wir produzieren Landschaft und die Nährstoffe für den Gemüseanbau: Eigentlich völlig dämlich gedacht, aber unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten der einzig richtige Weg! Die Gesellschaft will es so! Schafe – weil sie fressen und Kot und Wolle produzieren – bleiben so lange am Leben, bis sie eines natürlichen Todes sterben.“ Der letzte Schrei: Die toten Tiere werden getrocknet, gemahlen und dann als Brennmaterial für die Ziegelei verwendet.

Ergebnisse des Workshops

Was war uns im Workshop wichtig:

  • Leuchtturmprojekte sind wichtig, aber: Wie gelingt es, die große Mehrheit zu erreichen?
  • Individuelle Verantwortung erkennen
  • Ernährung sichern bei Erhaltung der Artenvielfalt
  • Keine Verschwendung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen

Fragen:

  • Wie schaffen wir es, die globalen Ströme in sinnvolle Bahnen zu lenken? (Ökobilanz/soziale Bilanz)
  • Wie können wir Regionalität stärken?

Impulse und Forderungen:

  • Keine Importe landwirtschaftlicher Güter, die wir selber herstellen können
  • Regionale Wertschöpfungsketten schaffen
  • Bildung: Ökologisch-landwirtschaftlich: speziell für junge Landwirte; allgemein in alle Lehrpläne
  • Wir brauchen eine möglichst autarke Landwirtschaft: → Ernährungssouveränität gilt in mehrfacher Hinsicht: Andere Länder machen derzeit für uns ihre Ressourcen an Böden, Wäldern etc. kaputt; das darf nicht mehr sein. Wir machen mit unseren Exporten wieder andere Landwirtschaften in anderen Ländern kaputt: Muss sofort aufhören. Wir brauchen unsere Ernährungssouveränität, damit wir aus eigener Kraft uns ernähren können.
  • Arbeit im Bereich der Bildung: Unsere Landwirte müssen in Ökologie ausgebildet werden;
    Regionale Wertschöpfungsketten: Muss über Ordnungspolitik geregelt werden (Tipp: Vor der Rente sind Beamte am besten ansprechbar, um nochmal was Gutes zu tun)
  • Sind wir in der Lage aus nachhaltiger Landwirtschaft – Ökolandwirtschaft uns selbst zu versorgen? – Ja, das geht! Wir müssen uns allerdings abgewöhnen, die Hälfte unserer Erträge wegzuschmeißen, dann genügt das auch allein aus der Ökoproduktion
  • Streit um PV auf Äckern gut oder schlecht? Stimme für Agro-PV: Abschattung wird in Zukunft immer wichtiger, d.h. der Verlust von bis zu 30% bei Agro-PV kann wahrscheinlich durch Bewahrung vor Austrocknung wettgemacht werden.
  • Biogasanlage als Einzelanlage nur zur Stromproduktion muss abgeschafft werden, darf nur in Verbindung mit Höfen errichtet werden, um Abfallprodukte zu verwerten (s.o.)
  • Flächen für Nahrungsmittelanbau sichern
  • Wem gehört der Boden? Wem gehören die Ressourcen Frage nach den Commons – Gemeingüter?
  • Zum biologischen Landbau: Die Zahl im Volksbegehren lautete nicht auf 10%, sondern 30% bis 2030 insgesamt! Die Forderung dazu: Wir brauchen nicht 10, 20, 30%, sondern wir müssen 100% erreichen!
  • Bildung: In allen Lehrplänen verbindliche Aufnahme von Artenschutz, Klimaschutz
  • Unsere Aufgabe: Das jetzt Erreichte sichern

 

Was nehme ich persönlich aus diesem Kongress mit:
Resümee von Workshop-Leiter Dietrich Pax

„Es gibt Menschen, die an wichtigen Themen arbeiten: Frage, ob eine Partei aushält, groß zu werden: Wie weit muss man an den Töpfen der Macht beteiligt sein, um das Wissen zu bekommen, und trotzdem noch das Potential zur Veränderung zu bewahren.“

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